Frank Schmidt, Fachreferent für Tiere in der Bekleidungsindustrie, PETA Deutschland e.V.
Nach PETA Recherchen

Einkaufstopp für Angoraprodukte

Anfang 2014 hat Tchibo einen Einkaufsstopp für Angoraprodukte bekannt gegeben. Auslöser hierfür waren Recherchen der Tierschutzorganisation PETA über inakzeptable Praktiken in einigen asiatischen Angorafarmen.

Nach daran anschließenden Gesprächen hat Tchibo entschieden, den Einkaufsstopp unbefristet fortzusetzen. Lediglich einige Restbestände wurden in einem vorher abgestimmten Zeitraum abverkauft. Die Hintergründe dieses Vorgehens erläutern Frank Schmidt, Fachreferent für Tiere in der Bekleidungsindustrie bei PETA Deutschland e.V. und Stefan Dierks, Category Leader CR Product & Strategy bei Tchibo.

Frank Schmidt, Fachreferent für Tiere in der Bekleidungsindustrie, PETA Deutschland e.V.

Was hat PETA bei seinen Recherchen zur Angorawolle festgestellt?

Frank Schmidt:

Im Rahmen der Ermittlungen von PETA Asien wurden 2013 stichprobenartig kommerzielle Angora-Farmen in mehreren chinesischen Provinzen aufgesucht, weil China schätzungsweise 90 Prozent der auf dem Weltmarkt angebotenen Angorawolle produziert. Auf allen Farmen befanden sich die Angora-Kaninchen, die von Natur aus sehr reinliche und soziale Tiere sind, isoliert in tier­quälerischen Einzelkäfigen.

Um an ihre Angorawolle zu gelangen, werden Angora-Kaninchen  bis zu vier Mal im Jahr lebend gerupft oder geschoren. Die verängstigten Tiere werden dafür auf einer Art Streckbank gefesselt. Kaninchen sind jedoch hochsensible Fluchttiere, und der Lebendrupf oder die Schur führen aufgrund der stressbedingten Herz-Kreislauf-Belastungen häufig zum Tode. Deshalb überleben die meisten Tiere auch nur zwei bis fünf Jahre auf einer Angora-Farm.

Stefan Dierks, Category Leader CR Product & Strategy, Tchibo GmbH

Stefan Dierks, Category Leader CR Product & Strategy, Tchibo GmbH

Warum der Einkaufsstopp – waren auch Zulieferer von Tchibo betroffen?

Stefan Dierks: Die Recherchen von PETA haben gezeigt, dass es bei der Angoragewinnung zu inakzeptablen Praktiken wie dem Ausreißen der Haare kommen kann. Um solche Praktiken in unseren Lieferketten auszuschließen, haben wir bereits vor einigen Jahren  unsere Lieferanten vertraglich dazu verpflichtet sicherzustellen, dass die Angorahaare für die von uns angebotenen Produkte durch ein schonendes Scherverfahren gewonnen wurden. Dabei bleibt z. B. ein Resthaarkleid von mind. 1 cm stehen, damit die Kaninchen nicht verletzt werden und eine Wärmeisolierung behalten. Dass für unsere Produkte nur geschnittene Haare verwendet wurden, haben unabhängige Labore überprüft und bestätigt.

Neben den Scherbedingungen wollten wir aber auch die Haltungsbedingungen nachvollziehbar, transparent und glaubhaft darlegen können. Dazu haben wir damit begonnen, ein herstellerunabhängiges Kontrollsystem durch externe Dienstleister aufzubauen. Bevor dieses System nicht etabliert war, wollten wir keine neuen Angoraprodukte auf den Markt bringen – daher der Einkaufsstopp.

Welche Bedürfnisse haben Kaninchen wie Angoras? Können diese Voraussetzungen bei der Haltung berücksichtigt werden?

Frank Schmidt: Kaninchen benötigen eine soziale Gruppe zur Interaktion und viel Platz zum Hoppeln und Haken schlagen, damit ihre Muskulatur und die Knochen nicht verkümmern. Die Tiere brauchen Verstecke, Buddelmöglichkeiten und andere Beschäftigungsmöglichkeiten. Zudem ist ein abwechslungsreiches Futter aus Gräsern, Kräutern und Gemüse nötig. Diese Grundbedürfnisse können in den Käfigreihen auf großen Angora-Farmen nicht erfüllt werden. Meist bekommen die Tiere nur ungeeignetes Trockenfutter in Form von Pellets zu essen.

PETA hat Tchibo über die Rechercheergebnisse in China informiert. Tchibo hat im Sinne des Tierschutzes zunächst einen sofortigen Einkaufsstopp für Angoraprodukte verhängt und zusätzliche Audits bei seinen Zulieferern veranlasst. Bei einem anschließenden Treffen erfolgte der konstruktive Austausch über die Bedürfnisse der Angora-Kaninchen sowie über die Audits bei den Angorazulieferern von Tchibo. Einigkeit wurde darüber erzielt, dass eine tiergerechte Erzeugung von Angorawolle unter den oben genannten Haltungsbedingungen nicht möglich ist.

Warum hat Tchibo jetzt doch wieder Angoraprodukte verkauft?

Stefan Dierks: Wir streben eine zu 100 % nachhaltige Geschäftstätigkeit an. Dazu gehört für uns, soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen. Daher sind wir bei unserem Einkaufsstopp für Angoraprodukte geblieben und werden keine Angoraprodukte mehr anbieten. Die bereits vorhandenen Artikel wollten wir aus ökonomischen und ökologischen Produkten nicht vernichten, weshalb wir sie letztmalig in den Verkauf gegeben haben. Wir werden (wie gesagt) künftig keine Artikel mit Angora mehr anbieten, sondern hier noch stärker auf alternative Fasern z.B. aus pflanzlichen Quellen setzen.

Welche Alternativen zu Angora gibt es?

Frank Schmidt: Viskosefasern auf Grundlage von Zellstoff sind ebenfalls wärmend und anschmiegsam. Die Viskosefaser Modal wird beispielsweise aus heimischem Buchenholz hergestellt; Lyocell wiederum hat den gleichen weichen Griff wie Angora und ist feuchtigkeitsabweisend. Weitere Alternativen zu Tierwolle sind auch spezielle Polyesterfasern, Baumwollflanell, Sisal, Bambus, Acryl und Sojaseide. Durch den Einsatz von modernen pflanzlichen und synthetischen Fasern bei der Textilproduktion kann der Tierschutz garantiert werden.