Farmerfrau Susan zeigt Botschafter Jonathan stolz ihre reifen Kaffeekirschen.
Mensch & Verantwortung

Mount Kenya Tagebuch Teil III und IV: Ich baue einen Ofen!

3. Zu Besuch bei Susan

Die Gegend um den Mount Kenya gilt als der Brotkorb des Landes. Mais, Bananen, Mangos, Papayas, Avocados und vieles mehr wachsen und gedeihen, wo man nur hinschaut. Üppiges Grün trifft auf leuchtend rote Erde. Dieser Komplementärkontrast, den man von Bildern berühmter Künstler kennt, bildet den Rahmen für das Leben der Menschen am Mount Kenya. Doch hinter dieser Idylle verbirgt sich harte Arbeit. Esel ziehen Pflüge über die Felder, die Menschen ernten mit ihren Händen oder mit Sicheln. Jeder, der um seine Hütte herum etwas Land besitzt, baut z.B. Mais oder Bananen an, um sich selbst zu versorgen. Was übrig bleibt, wird auf dem Markt verkauft. So auch Susan, die ich schon vom Steering-Committe-Meeting kenne. Herzlich empfängt sie mich auf ihrer Farm.

Hinter ihrem Häuschen aus Stein steht eine Holzhütte, in der sich – typisch kenianisch – die Küche befindet. Daneben entdecke ich den Kuhstall… naja, es handelt sich eher um einen kleinen, schlammigen Gatter mit Trog, das zu einem Drittel überdacht ist. Die Kuh versorgt die Familie mit Milch und der Kuhmist dient als Düngemittel auf dem Kaffeefeld. Stolz zeigt Susan mir ihre Kaffeeplantage, die direkt hinter der Küchenhütte beginnt. Wir müssen ein bisschen suchen, bis wir zwischen all den grünen Kaffeekirschen an den Sträuchern eine bereits rote Kirsche finden. Susan pflückt sie und legt sie in meine Hand. Das ist also Kaffee. Ich zerdrücke die Frucht. Ich finde zwei weiße Kaffeebohnen, die von hellem Fruchtfleisch umgeben sind. Zu riechen ist nichts. Das Fruchtfleisch schmeckt zuckersüß. Zwei mal im Jahr kann geerntet werden. In einer Kaffeefabrik, werden die Kaffeebohnen freigelegt, getrocknet und später geröstet.

Susan hat ihre Plantage von der „Rainforest Alliance“ als nachhaltig zertifizieren lassen. D.h. Müll wird getrennt und biologischer Abfall kompostiert. Sie verzichtet auf umweltschädliche Pestizide und achtet darauf, viele verschiedene Pflanzen auf dem gleichen Feld anzubauen. Monokultur würde dem Boden auf Dauer wichtige Nährstoffe entziehen und langfristigen Schaden zufügen. Deshalb finden sich zwischen Susans Kaffeesträuchern immer wieder Bananenstauden oder Mangobäume. Die Rechnung geht offensichtlich auf: Susans Schwager, dem das Feld direkt nebenan gehört, wirtschaftet nicht nachhaltig. Man kann deutlich erkennen, dass seine Kaffeesträucher deutlich weniger Früchte tragen, der Boden ist trocken und sandig. Zum Abschied greift Susan zu Machete, schält damit in Windeseile eine Rohrzuckerstange und gibt mir ein Stück. Man beißt einfach rein, saugt kauend den süßen Saft heraus und spuckt den Rest wieder aus. Eine ganz natürliche Süßigkeit! Lecker!

Übrigens: Auch der Vorsitzende der Landwirtschaftsgenossenschaft aus Baragwi ist anwesend. Für ihn ist es ungewohnt, dass hier die Frauen im Mittelpunkt stehen. Dennoch erkennt er deren Leistung an und sieht in dem Projekt positive Entwicklungen für seine Region.

4. Die Frauen beginnen zu singen - ich bin in Afrika angekommen

Später besuchen wir eine Frau, die heute einen neuen Ofen bekommen soll. Zwar gibt es auf jeder kenianischen Farm eine extra Hütte, die als Küche dient, aber einen wirklichen Ofen besitzen viele nicht. Es wird in der Hütte auf offenem Feuer gekocht. Der Qualm steigt bis unters Dach und entweicht dort langsam durch kleine Ritzen. Die Wand direkt vor dem Feuer und die Decke sind vor lauter Ruß pechschwarz. Ich mag mir nicht ausmalen, wie die eigene Lunge wohl aussieht, wenn man tagtäglich mehrere Stunden hier verbringt.

Die Vorsitzenden der Frauengruppen aus Baragwi sind im Rahmen des Projekts vor einiger Zeit nach Tansania gereist und haben sich dort u.a. auf einer Farm am Kilimandscharo verschiedene Öfen angeschaut. Sie entschieden sich für eine Variante aus Lehm, die Platz für zwei Töpfe bietet, die Hitze lange speichert und den Rauch über einen kleinen Blech-Schornstein direkt aus der Hütte leitet.

Drei Frauen führen mich nun also durch hohes Gras zu dem Ort, an dem ich helfen soll, so einen Ofen zu bauen. Es ist still. Niemand sagt etwas. Ich frage meine Begleiterinnen, ob sie manchmal singen, wenn sie unterwegs sind. “Ja, klar!”, antworten die Frauen, “Wir singen sehr gerne und oft.” In diesem Augenblick erreichen wir einen kleinen Platz mit kleinen Holzhütten, wo ca. 15 Frauen auf uns warten. Und dann passiert es: Eine helle, kräftige Stimme beginnt zu singen. Alle Anwesenden stimmen mit ein. Ein paar Frauen singen bestimmte Strophen alleine, den Refrain und prägnante Kehrverse singen alle zusammen.

Ich durchschaue nicht, wie das Lied aufgebaut ist und woher jede Sängerin weiß, wann sie an der Reihe ist. Das macht das Lied nicht nur wunderschön, sondern irgendwie auch geheimnisvoll. Alle bewegen sich rhythmisch zur Musik und machen bei bestimmten Liedteilen ausdrucksstarke Bewegungen. Schnell kann ich den Refrain ungefähr mitsingen. “Mit diesem Lied drücken wir Freude und Dankbarkeit aus”, erklärt man mir hinterher. Manche Frauen kreischen laut während des Liedes. Es ist ein besonderer Ausdruck von Glück. Diese eindrucksvolle und ehrlich-herzliche Begrüßung macht den anschließenden Ofenbau zu etwas ganz besonderem für mich. Alle helfen mit. Ein freundlicher Mann, der mit in Tansania war, erklärt mir, was zu tun ist. Ein paar Tage lang muss der Lehm trocknen, dann kann das erste Feuer zum Kochen entfacht werden. Ich hoffe die Hütten der Frauen werden in Zukunft immer weniger mit Rauch und immer noch mehr mit ihrem fröhlichen Gesang erfüllt.

Und nächste Woche geht es wieder weiter!

Euer Facebook Botschafter Jonathan

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