Purity zeigt eine mögliche Wasser-Entnahmestelle für die neue Leitung.
Mensch & Verantwortung

Mount Kenya Tagebuch Teil V und VI: von Waisen und Wasser

5. Ein Festzelt für die Waisengruppe

Besonders beeindruckt mich die Tatsache, dass die kenianischen Farmerfrauen eigenständig Selbsthilfegruppen gründeten. Und das schon lange bevor Tchibo auf sie aufmerksam wurde. Einen Vormittag meiner Reise darf ich auf der Farm von Regina verbringen. Regina leitet die Gruppe, die ihre Mitglieder bei der schulischen Ausbildung der Waisenkinder unterstützt. Viele Frauen kümmern sich neben ihren eigenen Kindern zusätzlich um verwaiste Nichten und Neffen. So auch Regina, die ihre Schwester durch Aids verlor und daraufhin deren zwei Töchter bei sich aufnahm.

Durch die Mount Kenya Project Spendengelder konnte die Gruppe endlich ein Vorhaben umsetzen, dass schon lange geplant war: Sie kauften sich ein eigenes Festzelt samt Musikanlage, dessen regelmäßiger Verleih der Gruppe ein finanzielles Fundament gibt, um die Waisenkinder zu unterstützen. Zur Feier des Tages bereiten die Frauen ein großes Festessen für alle im neuen Zelt.

Durch das Projekt werden nicht nur lang geplante Ideen umgesetzt, sondern auch neue Inputs in theoretischen Lehreinheiten vermittelt. Einige Frauen aus Reginas Gruppe nahmen bspw. vor dem Erwerb des Zelts an einem Training für einen Catering-Service teil. Farmerin Esther – mit einem unglaublich ansteckenden Lächeln, lernte in einem Farming-Workshop, dass ein größerer und artgerechterer Stall für ihre Kühe zu einem höheren Milchertrag führt. Beim Besuch auf ihrer Farm darf ich ganz praktisch mit anpacken, um den neuen Stall zu errichten. Auch Esthers Mann, der unter der Woche als Lehrer in Nairobi arbeitet, ist extra gekommen, um mitzuhelfen.

Auf den Farmen wird für mich deutlich, wie sich der Mensch die Natur für seine Zwecke zu Eigen macht. Das komplette Gegenteil erlebe ich, als ich einen Nachmittag in einem der vielen Nationalparks Kenias verbringe. Afrika-Cliche im positivsten Sinne. Hier bin ich zu Gast im Reich der Zebras, Nashörner und Löwen. Sie dulden mich, solange ich ihnen nicht zu nahe komme. Ein Gefühl, das man aus Mitteleuropa fast nicht mehr kennt.

6. Wassermarsch - vom Umgang mit Kanistern und starken Frauen

Purity muss 4 km weit laufen, um frisches Wasser zu ihrem Haus zu transportieren. Und das jeden Tag, drei mal! Heute begleite ich sie auf ihrem Weg. Ein paar Nachbarinnen kommen mit. Jeder von uns trägt einen Wasserkanister, der etwa 20 Liter fasst. Der Weg zur Quelle ist ein netter Spaziergang, noch sind die Kanister leer und leicht. Purity erzählt mir von ihrer Familie und ihrer Kaffeefarm. Ihr Mann lebt mit seiner zweiten Frau an einem anderen Ort. Dass ein Mann zwei oder mehr Frauen heiratet, kommt in Kenia durchaus noch vor. Die Versorgung der Kinder und Bestellung der Farm liegt daher meist ganz bei Purity.

Wasserholen ist sowieso traditionell die Aufgabe der Frauen. Nur wenn sie krank ist, leistet sich die Farmerin den teuren Lieferservice, der das Wasser per Esel-Kutsche zu ihr nach Hause bringt. Inzwischen sind wir bei der Quelle angekommen und füllen unsere Kanister. An den Behältern befestigte Riemen spannen sich die Frauen vor die Stirn, der Kanister hängt dann wie ein Rucksack auf dem Rücken. Das Hauptgewicht trägt der Kopf. Als ich es den Frauen nachmache, löse ich schallendes Gelächter aus. Männer tragen Lasten nicht auf dem Kopf! Hätte mein Kanister noch einen Deckel, könnte ich ihn auf meiner Schulter tragen. Weil der Behälter aber nicht mehr zu verschließen ist, trage ich ihn auf dem Arm. Das schickt sich auch als Mann.

Wir machen uns auf den Rückweg und der Regen setzt ein. Die Straßen aus rotem Sand verwandeln sich in rutschige Matschpfade. Während ich behutsam einen Fuß vor den anderen setze und mich bemühe, nicht zu viel Wasser zu verschütten, beginnen die Frauen, Lieder anzustimmen. Sie klatschen und singen bis wir wieder bei Puritys Farm angekommen sind. Ich weiß nicht, ob es Regen oder Schweiß ist, der mein Gesicht herunter rinnt. Vermutlich beides. Diese Strecke drei Mal am Tag – ein ganz schönes Pensum! Die Arbeit auf der Farm bleibt währenddessen natürlich liegen.

Purity ist Leiterin der Wasser-Gruppe. Seit 2006 sammeln sie über monatliche Mitgliedsbeiträge Geld für den Bau einer Wasserleitung zu ihren Häusern. Mithilfe der Spendengelder aus dem Mount Kenya Project kann das Vorhaben voraussichtlich diesen November endlich umgesetzt werden. Das bereits gesammelte Geld will die Gruppe unbedingt mit einfließen lassen. „Wir werden uns besser für die Instandhaltung der Wasserleitung einsetzen, wenn wir direkt am Bau beteiligt waren und es uns etwas gekostet hat.“, erklärt Purity. Sollte eines Tages jeder Hof der Region mit Wasser versorgt sein, will sich die Gruppe um soziale Anliegen kümmern. In vielerlei Hinsicht sind es die vermutlich stärksten Frauen, die ich jemals getroffen habe. Dieser Tag ist ganz sicher das Highlight meiner Reise.

Nächste Woche hören Sie wieder von mir!

Bis dahin schöne Grüße

Ihr Facebook Botschafter Jonathan

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