Die Frauen veranstalten viele Meetings, um zu diskutieren wie die Teilprojekte der ganzen Gemeinschaft möglichst viel Nutzen bringen.
Mensch & Verantwortung

Tchibo Mount Kenya Project: Was tut sich in Baragwi? Ein Update

You have to travel in the speed of life, not in the speed of light…(Afrikanisches Sprichwort)

Knapp 12 Wochen sind nun seit dem erfolgreichen Abschluss unserer Mount Kenya Project Kampagne vergangen. Über 600.000 Euro stehen seitdem für die vier Teilprojekte Wasserleitung, Nutzvieh, Bildung und Baumaterial zur Verfügung. Was ist also in den vergangenen Wochen am Mount Kenya passiert? Graben die Frauen der Wassergruppe an der Wasserleitung, sind die Kühe für Mary und Co schon eingetroffen? Tchibo Projektleiterin Cornel Kuhrt steht Rede und Antwort.

Cornel, wenn man sich die Mount Kenya Tagebuch-Einträge ansieht, hat man das Gefühl, dass sehr viele Meetings und Grundsatzüberlegungen stattfinden – aber noch nicht soviel Konkretes. Trügt der Schein?

Cornel Kuhrt: Jein. Für unser deutsches Empfinden geht es in der Tat nur in sehr kleinen Schritten voran. Die Kenianer sehen das anders. Nicht umsonst gibt es das afrikanische Sprichwort: You have to travel in the speed of life, not in the speed of light. Da wir aber das Projekt möglichst innerhalb eines Jahres umsetzen wollen, versuchen wir es nun durch den Einsatz von mehr Manpower voranzutreiben. So wurde der Projektmanagerin Liz eine weitere Kollegin (Marcie) zur Umsetzung des Projekts zur Seite gestellt. Wir freuen uns außerdem, dass Bernard - der uns auch während der Dreh- und Videoarbeiten hervorragend begleitet hat - die beiden Projektmanagerinnen bei den Trainings der Farmerfrauen unterstützt.

Wir sprechen hier von einer großen Summe Geld, wollen die Frauen das Geld nicht so schnell wie möglich sinnvoll nutzen?

Cornel Kuhrt: Die Frauen wollen das Geld nutzen, sicherlich. Aber wohlüberlegt und nicht überstürzt. Deshalb treffen sie sich so oft, deshalb finden so viele Meetings statt. Die Menschen haben einen großen Gerechtigkeitssinn, niemand soll zu kurz kommen. Das heißt aber auch, dass nicht einzelne Frauen eine Kuh bekommen, sondern dass wohlüberlegte Lösungen gefunden werden müssen, die der Gemeinschaft größtmöglich dienen. Es sind ihre Projekte, die Frauen fühlen sich dafür verantwortlich. Was gut ist! Wir wollen und können ihnen nichts aufzwängen oder anordnen, sonst würde unsere Unterstützung vor Ort einfach verpuffen.

Kommen wir direkt zu den Teilprojekten. Was macht die Wasserleitung für Puritys Wassergruppe?

Cornel Kuhrt: Unser Partner SMS (Sustainable Management Services) ist jetzt auf der Suche nach einem Ingenieur, der die ganzen technischen Abläufe betreut. Ein paar weitere Herausforderungen bestehen: Es muss ein sicheres Büro gefunden werden, wo der neue Wassermanager seine Papiere sicher lagern kann. Das muss wohl erst noch gebaut oder angemietet werden. Der Verlauf der Rohre muss abgesteckt werden, damit die Bauern auf diesem Land nichts aussähen; auch naht die Regenzeit. Die Frauen wollen die Wasserleitung unbedingt selbst eingraben, denn sie halten Sachen nur für wertvoll und erhaltenswürdig, wenn sie sie selbst erarbeitet haben. Aus unserer Sicht sind aber gelernte Bauarbeiter und Maschinen wichtig, um die Arbeit professionell durchzuführen. Hier besteht noch einiger Diskussionsbedarf.

Die Frauen der Waisengruppe haben sich dazu entschlossen, einen Catering Service aufzumachen, und mit dem damit verdienten Geld die Unterrichtsmaterialien und das Schulgeld für die Aids Waisen zu bestreiten. Wie ist hier der Stand?

Cornel Kuhrt: Die Einkaufs-Listen sind geschrieben. Viel Hilfe erhalten die Waisen-Mütter rund um Regina auch von Susan, die wir aus dem Nutzvieh Film kennen (Susan ist diejenige, die eine Kuh hat). Susan entwickelt sich tatsächlich in der Baragwi Kooperative zu einer echten Führungspersönlichkeit. Viele Frauen-Gruppen wünschen sich Unterstützung von ihr.

Die Waisengruppe hat gemeinsam mit Susan bereits eine Window-Shoppingtour in Embu unternommen, um einen Überblick über die Preise für die benötigten Utensilien zu bekommen. Damit soll dann die Budgethöhe für ihre Geschäftsidee festgelegt werden. Allerdings gibt es in Embu natürlich nicht alles, was für den Catering Service notwendig ist, deshalb müssen die Frauen nun nach Nairobi fahren, um sich dort über die Preise für die restlichen Gegenstände - insbesondere das Zelt und die Stühle - zu informieren. Wir sind gerade dabei die Fahrt nach Nairobi für die Damen zu organisieren.

Eine Herausforderung ist sicherlich - wie beim Wasserprojekt auch - die sichere Unterbringung des Koch-Equipments. Eine Lösung ist aber in Sicht: Die Mütter können wahrscheinlich Gemeinschaftsland bei der Baragwi Kooperative pachten und dort ein Haus bauen lassen. Das neue Haus wird eine zentrale Küche haben, mit selbst gebauten Öfen wie sie die Frauen auf ihrem Ausflug nach Tansania kennengelernt haben. Unser Timing: Trainings und Anschaffung der Cateringmaterialien bis Ende September. Anfang Oktober kann es dann endlich losgehen.

Das komplizierteste Projekt ist sicher das Nutzvieh-Projekt. Viele Frauen haben sich ja eine sogenannte Hochleistungs-Kuh gewünscht, um mit der Milch Geld zu verdienen.

Cornel Kuhrt: Das Projekt ist in der Tat sehr komplex. Hier hat sich leider noch zu wenig getan. Es muss geklärt werden:

- Wer hat bereits wie viele Kühe?

- Wer benötigt erst einmal ein Kalb, um mit der Milchproduktion überhaupt beginnen zu können?

- Wer hat bereits einen Stall oder wer braucht noch einen?

Dazu müssen aber erst einmal Daten erhoben werden.

Immerhin hat sich ein zentrales Projekt-Komitee etabliert. Zwei Teilbereiche haben sich herauskristallisiert:

  • Zum Ersten sollen alle beteiligten Frauen geschult werden, wie artgerechte Haltung von Kühen funktioniert, um so auch zu lernen, wie man die Kühe dazu bringt, mehr Milch zu geben. Nur dann haben die Frauen mehr Milch, als sie selber brauchen. Und diese können sie dann verkaufen, um eine weitere Einkommensquelle zu haben. Da die Kühe und Kälber gut gehalten werden müssen – Schatten ist ganz wichtig und das richtige Futter auch in Trockenzeiten – besteht großer Lernbedarf. Das sehen die Frauen übrigens ganz genauso – und das fordern sie auch ein. Deshalb sind zwei Ausflüge zu Milchkooperativen geplant, darüber hinaus sind externe Spezialisten am Start.
  • Zum Zweiten soll die Milch, die nicht für den Eigenbedarf benötigt wird, gesammelt und gemeinsam verkauft werden, um einen besseren Preis zu erzielen.

Zunächst wollen sich die Projektmanagerin Liz und die Frauen des Komitees um den ersten Punkt kümmern.

Wann kommen denn nun die ersten Kälber?

Cornel Kuhrt: Wir hoffen, dass die ersten Kälber diesen Frühling eintreffen, ebenso übrigens die Baumaterialien für die Ställe. Das Ziel: Alle Frauen sollen in der Lage sein, soviel Milch wie möglich liefern zu können. Damit sie, wenn Teil 2 der Aktion startet, über den gemeinsamen Milchverkauf einen optimalen Preis erzielen können. Denn dann profitieren alle Frauen nachhaltig vom Projekt.

Wie soll denn das Projekt finanziert werden? Es bestehen ja ungleiche Startbedingungen?

Cornel Kuhrt: Die Frauen wollen sich ungern etwas schenken lassen, weil sie den Anspruch haben für jede Leistung die sie bekommen, auch eine Gegenleistung zu erbringen. Vermutlich werden wir also allen Frauen der Nutzvieh-Gruppe sozusagen als Start Up eine Anstoßfinanzierung zukommen lassen. Sie wollen das Geld unbedingt in einen „Frauenfond“ zurückzahlen, um weitere Projekte angestoßen werden können. Wenn es so kommt, muss unseres Erachtens nach sichergestellt werden, dass die Frauen nicht gezwungen werden, das Geld sofort zurück zu zahlen, sondern nur dann etwas von dem Kredit auszugleichen, wenn sie es sich leisten können.

Die Frauen haben am Jahresende einen Ausflug nach Tansania gemacht, um unter anderem zu lernen, wie man bessere Öfen baut. Öfen, die weniger Holz verbrauchen und ihre Häuser nicht voll qualmen. Gibt es schon erste Exemplare am Mount Kenya?

Cornel Kuhrt: Oh ja, der Trip nach Tansania war ein Volltreffer. Viele Frauen haben sich schon daran gemacht, eigene Öfen zu bauen. Die Vorteile sind ja auch immens. Eine Mahlzeit wie Maisbrei muss nur noch 30 Minuten statt 2 Stunden kochen, der Holzverbrauch (wir haben das auf einer Kofferwaage gewogen), ist um Zweidrittel zurück gegangen. Das Essen kocht von alleine, die Frauen müssen nicht ständig Holz nachlegen, ihr Rücken ist nicht mehr gebeugt, dank dem Abzugsrohr ist kein Rauch im Raum. Wir werden versuchen hier eine Lösung zu finden, damit sich möglichst viele Frauen solch einen Ofen bauen können.

Dein aktuelles März Fazit?

Cornel Kuhrt: Das Projekt ist kompliziert, aber wir sind auf einem guten Weg. Wir haben es hier immerhin mit über 900 Beteiligten zu tun. Es herrscht definitiv ein anderes Zeitverständnis in Afrika und die Rahmenbedingungen, wie z.B. Infrastruktur sind nicht mit Deutschland zu vergleichen. Man muss viel Antreiben und es können immer unvorhergesehen Dinge geschehen, die das Projekt behindern. Jetzt aber wissen alle, was sie wollen. Die Teilprojekte sind auf einem guten Weg, die Business Pläne werden erstellt. Ich bin positiv gestimmt.