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Auf einen Kaffee mit: "Schlafpapst" Jürgen Zulley

Ein Espresso vor dem Zubettgehen? Folgt dann eine schlaflose Nacht - oder ganz im Gegenteil, eine wunderbar erholsame Nachtruhe? Was ist mit Vollmond? Und dem Trend Powernapping im Büro? Welche Rolle spielt die Bettwäsche für einen erholsamen Schlaf? Fragen, die uns den Schlaf raubten. Glücklicherweise trafen wir  Prof. Dr. Jürgen Zulley, seit 35 Jahren Schlafforscher aus Leidenschaft, "Schlafmediziner des Jahres 2005" und "Schlafpapst". Der vielfach ausgezeichnete Buchautor verriet uns beim Kaffee beste Einschlaftipps und vieles, vieles mehr .

Prof. Zulley, warum müssen wir überhaupt schlafen? Wir verschwenden immerhin Jahre unserer Lebenszeit damit…

Jürgen Zulley: Wir Menschen sind Systeme, die sich selbst regenerieren und reparieren können, keine Maschinen. Hierzu benötigen wir aber „Auszeiten“ und müssen schlafen. Dieser Schlaf ist ein hochaktiver Prozess, kein Ruhezustand. Regeneration, Reparation und auch die Speicherung von Gedächnisinhalten können nur im Schlaf ausreichend stattfinden. Schlaf ist lebensnotwendig, wir können länger ohne Nahrung als ohne Schlaf auskommen. Kurz: Der Schlaf ist die Grundvoraussetzung für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden.

Wie viele Stunden Schlaf braucht der Mensch?

Jürgen Zulley: Durchschnittlich benötigt der Mensch sieben Stunden Schlaf plus/ minus zwei Stunden – also fünf bis neun Stunden. Wie viel Schlaf jeder genau braucht ist individuell sehr unterschiedlich. Alter, das Geschlecht, Gene und die Jahreszeit spielen eine Rolle. Frauen schlafen, biologisch bedingt, zum Beispiel länger als Männer. Im Winter schläft man häufig länger als im Sommer, Kranke schlummern länger als Gesunde. Ältere Menschen schlafen vor allem nachts weniger. Die Schlafdauer ist aber auch eine Gewohnheitssache.

Es war Vollmond und die Kollegin klagt über Schlafstörungen. Hat der Mond Einfluss auf unseren Schlaf?

Jürgen Zulley: Nahezu alle wissenschaftlichen Studien besagen, dass der Mond keinen Einfluss auf den Schlaf hat. Sehr selten scheinen Untersuchungen das Gegenteil zu beweisen. Für die Schlafstörung der Kollegin muss es einen anderen Grund geben. Bei wolkenlosen Nächten könnte sie natürlich die Helligkeit wach halten. Weiterhin könnte man zwei Erklärungen für schlaflose Vollmondnächte aufzählen: Zum einen die sog. selbsterfüllende Prophezeiung: Anspannung und Unruhe treten schon in Erwartung des Vollmondes ein. Zweitens eine selektive Wahrnehmung. Man merkt sich einfach, dass man bei Vollmond schlecht schläft. Ein einfacher Blick in den Kalender an all den Tagen, wenn man mal wieder kein Auge zubekommt, würde genügen, um den Aberglauben zu bestätigen. Der Mond ist also unschuldig.

Ende Oktober stellen wir die Uhr wieder eine Stunde zurück, die Nacht ist also eine Stunde länger. Welche Auswirkungen hat das auf unser Schlafverhalten?

Jürgen Zulley: Bei der Umstellung auf die Winterzeit kann man keine (negativen) Auswirkungen auf das Schlafverhalten beobachten. Klagen sind äußerst selten – schließlich kann man etwas länger schlafen. Normalerweise gibt die innere Uhr einen Schlafrhythmus von 25 Stunden vor, der durch das Tageslicht auf 24 Stunden synchronisiert wird. Bei der Umstellung auf die Sommerzeit wird dieser aber auf 23 Stunden gezwungen – mit eben dieser Verkürzung haben viele Menschen im Frühjahr ein Problem. Es gibt vor allen Dingen keinen Grund für die Zeitumstellung. Im Gegenteil – es fallen dadurch sogar mehr Energiekosten als Ersparnis an. Da in der gesamten europäischen Zeitzone allerdings der Umstellungsprozess etabliert ist, sind die bürokratischen Hindernisse zu groß, um etwas zu ändern.

Was halten Sie vom Nickerchen für zwischendurch, neudeutsch auch „Powernapping“ genannt. Wie effektiv ist es?

Jürgen Zulley: Im Begriff „Powernapping“ schwingt gleich das amerikanische Leistung(sdenken) mit – das „Nickerchen“ hat also per se kein gutes Image. Im Grunde genommen ist das nicht gerecht – denn um die Mittagszeit stellt sich bei uns ein natürliches Tief ein. Es gehört also zum biologischen Programm ein Nickerchen zu machen. Erst seit der Industrialisierung wird der Mittagsschlaf nur ungern gesehen – die Maschinen sollten schließlich durchlaufen und die Arbeiter dauerhaft funktionieren. Diese Philosophie bzw. Arbeitsmoral hat sich durchgesetzt. Eine richtige Siesta gibt es nur noch auf dem Land. Gerade zeigt sich allerdings ein Wandel. In Managerkreisen ist zumindest ein kurzes Nickerchen wieder anerkannt. Die Zahlen belegen es: Man erreicht 37% mehr Leistungsfähigkeit, um 35% sinkt zudem das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Was die Dauer anbetrifft, 10 bis max. 30 Minuten sind ideal, je nachdem ob man Anfänger oder Fortgeschrittener ist. Profis, wie einige Politiker, brauchen zum Beispiel nur 15 Minuten.

Welche Tipps haben Sie für besseres Schlafen?

Jürgen Zulley: Der Obertipp: Entspannung ist der Königsweg in den Schlaf. Man soll nicht schlafen wollen – dann funktioniert es nicht. Geistige Entspannung kann man lernen. Man sollte seine Gedanken zum Beispiel auf etwas Positives lenken. Hören Sie ruhige Musik oder konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung. Ein zweiter einfacher Tipp: Spaß. Pflegen Sie soziale Kontakte und treffen Sie Freunde. Außerdem ist es wichtig, Abends rechtzeitig abzuschalten. Jeder muss zur Ruhe kommen, bevor er zur Ruhe geht. Es klingt zwar langweilig, aber regelmäßiges zu Bett gehen und Aufstehen hilft. Weiterhin sollten wir uns bewusst machen, dass nächtliches Erwachen normal ist. Das einzige Problem ist, nicht wieder einschlafen zu können. Viel spielt sich auch im Kopf ab. Die Schlafdauer ist gar nicht so wichtig für den Erholungswert des Schlafes – es ist die Qualität.

Wie beeinflussen Bett und die Schlafumgebung die Schlafqualität?

Jürgen Zulley: Bei „Gutschläfern“ spielt es zunächst keine entscheidende Rolle. Wenn man zu den unruhigen Schläfern gehört, sind einige Faktoren von Bedeutung: Das Oberbett sollte zunächst Feuchtigkeit aufnehmen- und abgeben können und das Klima, in dem man schläft trocken sein. Hautfreundliche Stoffe sorgen für Wohlbefinden. Das Visuelle, beispielsweise die Farbe der Bettwäsche ist meist eine psychologische, gefühlte Sache. Viele mögen zum Beispiel weiß. Nun zum Schlafraum. Auch hier zählt der Wohlfühlfaktor: Am besten ist es, die Arbeitsplatzatmosphäre aus dem Schlafzimmer zu verbannen: Kein Schreibtisch, kein Computer, keine Stauräume und auch keinen Fernseher.

Die wichtigste Frage zum Schluss: Wie wirkt Kaffee auf den Schlaf?

Jürgen Zulley: Koffein, als Wachmacher, ist von Grund auf natürlich gegen den Schlaf gerichtet. Aber es gibt auch erstaunliche Beobachtungen. Einige, gerade ältere Menschen können nach dem Kaffeegenuss gut schlafen, sowie Leute, die ohnehin einen niedrigen Blutdruck haben. Man kann nicht genau erklären warum. Warme Getränke im Allgemeinen, so könnte man sagen, wirken einschlaffördernd. Beim Powernapping kann der Kaffee äußerst effektiv sein. Trinkt man ihn kurz zuvor, wirkt sein Koffein erst nach 20 bis 30 Minuten - als automatischer Wecker. Ein Kaffee vor dem Nickerchen ist also eine gute Strategie.

Danke für das Gespräch!

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