Gift in der Kaffeetasse

Coffee and Crime (2)

Treue Blog-Leser werden sich erinnern: Im ersten Teil meines Berichts aus der Kaffeewissenschaft ging es um den niederträchtigen Missbrauch einer Tasse Kaffee für einen Mordanschlag, kombiniert mit einem heimtückischen Juwelenraub. Wie ging es nun weiter?

Frau M., die weiterhin unter starker Übelkeit, Herzrasen und Sehstörungen litt, nahm zunächst an, sie habe eine verdorbene Fischkonserve gegessen. Sie führte daher selbst das Erbrechen herbei und wurde anderntags mit Verdacht auf Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert, wo schließlich dem Augenarzt die Vergiftungssymptome (geweitete Pupillen) bekannt vorkamen: Atropin, allgemein bekannt als Belladonna.

Die sehr bitter schmeckende Substanz sollte nach dem Plan von W. durch den Kaffeegeschmack überdeckt werden, doch wurde sie im Eifer offenbar zu hoch dosiert. Die Hochdosierung führte hier aber nun nicht zum sicheren Tod des Opfers, sondern dazu, dass Frau M. den Kaffee nicht mehr austrinken mochte und insgesamt mit starken, aber vorrübergehenden Vergiftungserscheinungen überlebte. Spätere Untersuchungen von Dr. Grab ergaben, dass sich etwa 100 mg Atropin in einer Tasse Kaffee geschmacklich hätten verbergen lassen [1] - das kann u.U. bereits tödlich sein. Schon damals aber konnte das Gift einwandfrei im Urin der Geschädigten nachgewiesen werden; die Täterin wurde überführt, legte ein Geständnis ab, und bei einer Hausdurchsuch wurde auch die Brillantnadel bei ihr gefunden.

Fazit: Sicherlich hat Frau M. ihr sicheres Gespür für eine gute Tasse Kaffee gerettet, die eben nicht so übermäßig bitter sein darf. Aber sowieso: Mit den heutigen Möglichkeiten der modernen forensischen Analytik hätte es ein Giftmischer glücklicherweise sogar noch weitaus schwerer, seine Spuren zu verwischen. Es hat also durchaus seinen Grund, weshalb ich auf der Suche nach einem (gescheiterten!) Verbrechen mit Kaffee doch recht weit (1951) in die Vergangenheit zurückgehen musste: es ist aussichtslos.

Mehr Coffee-Shops = weniger Morde?

Ich habe abschließend noch eine dritte Untersuchung zu Coffee & Crime, die ich hier gerne als die gute Nachricht zum Thema verkaufen möchte: Und zwar konnte statistisch nachgewiesen werden, dass mit der ansteigenden Zahl der Coffee-Shops in einem Stadtviertel die Zahl der Tötungsdelikte zurückgeht [2].

Wo soll da wieder der Zusammenhang sein? Nun, die Soziologen der University of Massachusetts Amherst (USA) erkannten die Zunahme von Coffee-Shops als repräsentatives Merkmal für einen sozio-ökonomischen Aufschwung - und ein solcher sei in einschlägigen Untersuchungen tendenziell mit einem Rückgang der Verbrechensrate verknüpft gewesen. Kritiker mögen jetzt anmerken, dass man die Situation in Chicago (415 Morde in 2013, viel mehr als in ganz Deutschland), wo die Untersuchung durchgeführt wurde, nicht einfach mit Hamburg, Frankfurt oder Berlin vergleichen könne. Ich mag aber das schöne Ergebnis jetzt nicht kleinreden und habe mir jedenfalls vorgenommen, mich beim nächsten Besuch in meiner Tchibo-Filiale persönlich bei den Angestellten dort dafür zu bedanken, dass sie mein Viertel – schon einfach nur weil sie da sind - ein Stück sicherer machen. Und eine gute Tasse Kaffee werde ich mir außerdem gönnen!

1. Grab, W., Kriminelle Atropinvergiftung. Deutsche Zeitschrift für gerichtliche Medizin, 1951. 40: p. 641-648.

2. Papachristos, A.V., et al., More Coffee, Less Crime? The Relationship between Gentrification and Neighborhood Crime Rates in Chicago, 1991 to 2005. City & Community, 2011. 10(3): p. 215-240.