Mensch & Verantwortung
Interview mit Dr. Ingo Lantz

Kaffeeverpackungen – geht’s auch ein bisschen nachhaltiger?

Verpackungsmüll ist eines der viel diskutierten Themen der letzten Jahre. Müll, der meist einfach nur verbrannt wird, ist für die Umwelt belastend. Außerdem gehen wertvolle Materialien verloren. Zusätzlich verbraucht die Herstellung von Verpackungen Ressourcen, Wasser und Energie. Aus Umweltsicht nicht ideal. Im Bereich unserer Non Food Verpackungen haben wir schon sehr viel erreicht. Fast 95 % aller Produkte werden nicht mehr in Plastik eingepackt, sie umschlingt nur noch eine Papp-Banderole mit den wichtigsten Informationen. Anders sieht es bei Kaffeeverpackungen aus. Diese haben wichtige Funktionen und sind - dem Schutz des sensiblen Produktes Kaffee geschuldet - komplizierte Gebilde.

Wie kann man Kaffeeverpackungen nachhaltiger gestalten? Und dennoch die schützenden Funktionen aufrechterhalten? Ein großes Thema für uns. Ich wage einen Blick in die Tchibo Nachhaltigkeitswerkstatt und spreche mit Dr. Ingo Lantz, unserem Direktor Forschung & Entwicklung. Wie sieht unser Fahrplan zu nachhaltigen Kaffeeverpackungen aus, was sind die Herausforderungen - und was sollte ich selbst beachten, um Verpackungsmüll zu vermeiden?

Lieber Ingo, als langjähriger Chef für Kaffee Technologie beschäftigst du dich seit Jahren mit der Frage, wie wir unseren frisch gerösteten Kaffee am besten schützen, um das Aroma lange genießen zu können. Ökologische Fragestellungen zu den Kaffeeverpackungen werden immer wichtiger. Wie lässt sich das vereinbaren? Wäre es für die Umwelt nicht besser, Kaffee unverpackt anzubieten?

Direktor für Forschung & Entwicklung bei Tchibo: Dr. Ingo Lantz.

Ja Darius, da sind wir gleich mitten in dem Dilemma. Röstkaffee ist sehr anfällig gegen Licht, Feuchtigkeit und Sauerstoff. Nicht nur das Aroma des Kaffees leidet darunter, sondern auch die in der Kaffeebohne vorhandenen Fette und Öle. Diese entwickeln ohne eine schützende Verpackung ranzige Geschmacksnoten. Die heutigen Kaffeeverpackungen fungieren also nicht nur als Transportmittel in die Läden, sondern helfen gleichzeitig, dass die Produkte ihre Qualität und Frische behalten und natürlich länger haltbar sind. So können Lebensmittelverluste reduziert werden. Auch das ist für eine nachhaltige Sichtweise wichtig.

Und wie lösen das die Unverpackt-Läden?

In Unverpackt-Läden kommt der Kaffee auch nicht einzeln an, sondern in größeren Verpackungen und wird im Laden in Schütten oder andere Gebinde umgefüllt. Als Kund*in bringe ich dann z. B. eine Mehrwegdose mit und fülle mir die gewünschte Menge ab. Also so ganz ohne Verpackungen kommen auch die Unverpackt-Läden nicht aus. Aber klar, das ist im stationären Vertrieb ein tolles Instrument, das wir ebenfalls seit Jahren in unseren Shops anbieten. Somit kann ich mir in jeder Tchibo Filiale meinen Kaffee in meine persönliche Mehrwegdosen abfüllen lassen. Die Idee und das Konzept „unverpackt“ ist also für uns in den eigenen Filialen nicht neu.

Was macht eine Verpackung überhaupt nachhaltiger?

Über diese Definition haben viele schlaue Menschen bereits viele Artikel und Bücher geschrieben. Ich fasse das Thema immer gerne anschaulich in wenigen Sätzen zusammen:

Zunächst gelten im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit auch bei der Verpackung die Grundsätze: so wenig Verpackung wie möglich, so viel wie nötig. Das bedeutet, dass der Verpackungs- und Materialeinsatz, wo immer möglich, reduziert wird.

Das allein ist aber zu kurzsichtig. Denn wir sehen uns klar in der Pflicht, als nachhaltiges Unternehmen hier bestehende Verpackungen so zu verbessern, dass die Materialien in weiten Teilen entweder aus bereits rezyklierten Rohstoffen oder aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen sollen. Noch besser ist es, Verpackungen zu entwickeln, die dann als Ganzes recyclingfähig sind. Dazu müssen aber sowohl die dafür notwendigen Entsorgungsoptionen geschaffen als auch eine sinnvolle Wiederverwendungs-Möglichkeit der gewonnenen wertvollen Materialien ermöglicht werden.

Ein solcher Wertstoffkreislauf stellt aus meiner Sicht das optimale Ziel dar und seitens der Gesetzgeber und von der EU Kommission sind mit dem „Green Deal“ genau diese Aufgaben auch adressiert worden. Das ist eine große Aufgabe, aber auch eine große Chance.

Das klingt plausibel und nach einem klaren Plan. Warum sind denn noch nicht alle Tchibo Kaffeeverpackungen nachhaltiger?

(Ingo lacht)….ich liebe diese „Warum“ Fragen. Um diese zu beantworten, muss ich nun aber ein wenig technisch detaillierter einsteigen.

Eine Röstkaffee-Verpackung, die im Fachbegriff „flexible Verpackung“ genannt wird, ist üblicherweise dreistufig aufgebaut, um die oben näher ausgeführten Anforderungen zu erfüllen: Außen ist eine stabile, bedruckbare Trägerschicht (oft PET Polyester), dann folgt eine Barriere-Schicht (oft dünnes Aluminium) und auf der Innenseite befindet sich eine Kunststoff-Schicht (oft PE Polyethylen), damit die Verpackung mittels Wärme versiegelt werden kann und somit dicht ist. Eine solch aufgebaute Verpackung bietet für Röstkaffee optimalen Aromaschutz, Transport und Haltbarkeit, ist aber keine geeignete Zukunftsoption unter Nachhaltigkeitsaspekten.

Am liebsten wäre mir natürlich eine reine Papierverpackung, die man später über das Altpapier entsorgen kann. Diese würde ohne weitere Behandlung aber durchfetten, hält keinen Sauerstoff ab und auch keine Feuchtigkeit. In der Folge schmeckt der Kaffee nach wenigen Wochen alt und ranzig.

Die Kunst ist, nachhaltige(re)s Material zu finden und intelligent so zu kombinieren, damit man diesen hohen Anforderungen an die Funktion einer flexiblen Verpackung weitgehend gerecht wird. Das ist in der Umsetzung sehr anspruchsvoll und erfordert viel Kreativität und Fachwissen, aber auch viele praktische Versuche in der Produktion.

Die Vergangenheit zeigt: Verpackung kann auch kreativ sein.

Das hört sich ziemlich spannend an. Kannst Du einmal konkret beschreiben, wie ihr da vorgeht?

Das Wichtigste ist, ein funktionierendes Netzwerk an guten Material-Lieferanten, Forschungseinrichtungen und Maschinenherstellern zu haben. Das erleichtert das Tüfteln, Experimentieren und Testen.

Sobald wir geeignete Roh-Materialien gefunden haben, stellen wir mit den Partnern diverse Materialkombinationen zusammen, um neben den technologischen Funktionen auch die mechanischen Eigenschaften an der fertigen Folie zu testen. Über zwei Dutzend dieser Kombinationen haben wir beispielsweise alleine im letzten Jahr geprüft. Natürlich fallen dabei immer einige Materialien heraus, wenn sie zu viel Sauerstoff durchgelassen haben, nicht hitzebeständig genug waren oder zu schnell gerissen sind in der mechanischen Beanspruchung.

Aber das Gute dabei ist, dass es auch immer sehr vielversprechende Kombinationen gibt, die dann den „Laborstatus“ verlassen und auf den großen Produktionslinien getestet werden. Wir haben jetzt bereits eine vielversprechende Sammlung verschiedener Materialien, die unter realen Bedingungen getestet wurden. Die besten befinden sich bereits in diversen Stufen der sensorischen Lagertests, damit wir die Schutzwirkung der neuen Verpackung auch direkt im Produkt „in der Tasse“ bewerten können.

Ist so die neue Blonde Roast Verpackung entstanden?

Genau. Mit dieser Verpackung haben wir ganz pragmatisch und schnell reagiert und haben eine Kombination an mehreren guten Dingen gleichzeitig gemacht:

Mit der Verwendung von echtem Papier haben wir eine natürliche und nachhaltige Komponente verwendet, die dem Produkt Stabilität verleiht. Das Aluminium haben wir aus der Verpackung verbannt und durch eine alternative Barriere ersetzt. Das spart im Herstellungsprozess deutlich Energie, da die Aluminiumgewinnung ein sehr energieintensiver Prozess ist. Weiterhin haben wir die Plastikschicht deutlich reduziert und das wiederum spart Material und somit auch wertvolle Ressourcen.

Das ist ein guter Start, aber bis wann sind denn alle Verpackungen nachhaltiger?

Als Kaffee-Unternehmen bieten wir unseren Kunden eine breite Palette an Produkten und Verpackungsformaten an. Es gibt leider nicht „die eine“ Lösung, die für alle Produkte angewendet werden kann. Wir versuchen, technologische Plattformen zu entwickeln, die dann über leichte Modifikationen ausgerollt werden können. Auf diesem Weg setzen wir zukünftig Schritt für Schritt einzelne Produkte und Formate auf nachhaltige Lösungen um. Blonde Roast war erst der Anfang und weitere Produkte werden in den kommenden Monaten folgen.

Eine solche Aufgabe ist nie wirklich fertig, denn der Anspruch ist, stets noch besser zu werden. Von daher gibt es auch keinen genauen Zeitpunkt, denn Nachhaltigkeit hat keine Grenze nach oben. Wir als Lebensmittelunternehmen, die Gesetzgebung, die Entsorgungsbetriebe und insbesondere die Kunden werden zukünftig definieren, welche Rolle nachhaltige Kaffeeverpackungen im Wertstoff-Kreislauf einnehmen werden. Viele Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich haben sich festgelegt und wollen ihre Verpackungen bis 2025 / 2030 nachhaltiger gestalten und definieren dies als Recyclingfähigkeit oder wollen die Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen.

Ich bin optimistisch, dass wir das in vielen Produkten und Formaten früher schaffen.

Das ist doch mal eine Aussage. Viel Erfolg.