Mensch & Verantwortung
Utopia Studie

Konsumenten setzen in der Pandemie auf nachhaltige Marken und Produkte

Ich bin Meike Gebhard, Geschäftsführerin der Plattform Utopia, dem größten Online-Portal mit Inhalten zum Thema nachhaltiger Konsum. Um zu erfahren, wie bewusste Konsumenten zum Thema nachhaltiger Konsum nach Corona stehen, haben wir im April mehr als 2.500 Utopia-Nutzer befragt. 

Das Ergebnis hat auch uns in der Deutlichkeit überrascht: Die Mehrheit der bewussten Konsumenten zeigt sich optimistisch – sowohl mit Blick auf den individuellen Konsum als auch mit Blick auf die gesellschaftliche Relevanz von Nachhaltigkeit. Jeder Zweite (46,5 Prozent) will nach der Corona-Krise sogar noch nachhaltiger konsumieren.

Kaufen Konsumenten – wenn sie überhaupt shoppen – nun nachhaltiger ein? 

Wir haben in unserer Utopia Corona Studie Konsumenten befragt, die ohnehin schon bewusst und nachhaltig leben. Selbst in dieser Konsumentengruppe überwiegt die Anzahl derer, die nach Corona NOCH nachhaltiger leben wollen. So nehmen sich 47 Prozent der Befragten vor, nach Abklingen der Pandemie noch konsequenter nachhaltig zu konsumieren. Nur 13 Prozent gehen davon aus, nach Corona mehr aufs Geld achten zu müssen und sich weniger nachhaltige Produkte leisten zu können. Insgesamt 36 Prozent geben an, dass sich ihr Konsumverhalten durch Corona nicht verändern wird. Das Votum pro (sprich: für noch mehr) Nachhaltigkeit hat uns in der Deutlichkeit überrascht. Tatsächlich: 72 Prozent wollen auch künftig besonders Marken und Hersteller unterstützen, die während der Coronakrise verantwortungsvoll gehandelt haben.

Warum das eine gute Nachricht ist…

Besonders positiv bewerte ich die Einschätzung von 39,4 Prozent der Befragten, dass das Thema Nachhaltigkeit durch Corona insgesamt einen Bedeutungszuwachs erfahren wird, während nur 16,6 Prozent pessimistisch sind, dass das Thema im Ranking der öffentlichen Agenda verlieren wird. 

Es bestand immer schon ein Gap zwischen der Ansage, mehr Bio- und Fairtrade Produkte kaufen zu wollen – und der tatsächliche Umsetzung, dennoch.. 

Bio- und Fairtrade-Käufer sind noch nicht in der Mehrheit. Aber der Anteil der Konsumenten, die soziale und ökologische Aspekte bei ihren Kaufentscheidungen berücksichtigen, wächst seit Jahren stetig. Das bestätigen die Studien der GfK, die den Anteil bewusster Konsumenten auf über 30 Prozent der Bevölkerung schätzt – das erleben wir in stark wachsenden Zugriffszahlen auf unser Portal Utopia.de. Dieser Trend in Richtung Nachhaltigkeit ist nach meiner Überzeugung unumkehrbar – auch nach der Corona-Krise. Natürlich werden deshalb in Zukunft nicht plötzlich alle Bio- und Fairtrade-Produkte kaufen, aber es werden täglich mehr werden – davon können wir ausgehen. 

Weniger ist mehr - und das wenige bitte lokal 

Die stärksten Alltags-Veränderungen sind auch bei bewussten Konsumenten die eingeschränkte Reiseaktivität, die veränderte Arbeitssituation (Homeoffice) und das häufigere Selber-Kochen. Nach diesen Aspekten rückt aber bereits Regionalität in den Fokus: 79,1 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, bewusst lokale Anbieter (Händler, Dienstleister) in diesen Krisenzeiten zu unterstützen. 57,7 Prozent der Teilnehmer an unserer Umfrage kaufen noch mehr regionale Produkte ein als vor der Corona-Krise. Viele dieser Verhaltensweisen wollen die Konsumenten auch nach der Krise beibehalten. Ein weiterer Trend, den wir schon im Rahmen unserer Utopia Studie „Eine Frage der Haltung“ festgestellt haben, ist die Zustimmung zu der Aussage, dass in Zukunft auch darum gehen wird, insgesamt weniger zu konsumieren. Durch Corona wird dieser Trend nochmal verstärkt.

Der Preis ist – natürlich - heiß  

Der Preis wird für viele Konsumenten sicher auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Aber aus unseren Studien wissen wir, dass gerade für bewusste Konsumenten neben dem Preis die Attraktivität des Angebots und die Verfügbarkeit nachhaltiger Produkte an gewohnten Kauforten ein Treiber für mehr nachhaltigen Konsum ist. Und beim Preis selbst geht es natürlich darum, dass die Preisdifferenz zu konventionellen Produkten nicht zu groß ist.

Uncool: Fleisch und SUVs für Generation Y (Millenials) 

In fünf Jahren wird die Anzahl der Konsumenten, die bei ihren Kaufentscheidungen auf Nachhaltigkeit achten, weiter gestiegen sein. Gerade die junge Generation wird die Märkte weiter in diese Richtung verändern. Die Jungen bringen den nachhaltigen Konsum voran. Was nicht mehr akzeptiert wird? SUVs mit hohem CO2-Ausstoß werden für junge Menschen ebenso „uncool“ sein wie massenhafter Fleischkonsum aus konventioneller Tierhaltung.

Was bedeutet das für Tchibo?

Ich erlebe Tchibo als ein Unternehmen, das im hohen Maße Verantwortung für die ökologischen und sozialen Bedingungen in seinen Lieferketten übernimmt und sich aktiv und glaubwürdig für Verbesserungen der Lebensbedingungen der Menschen in den Herkunftsländern einsetzt. Gleichzeitig sehe ich genau hier auch weiterhin noch Luft nach oben. Denn noch sind wir weit entfernt von z.B. existenzsichernden Löhnen in der Textilproduktion oder von durchgängig fairen Arbeitsbedingungen im Kaffeeanbau.

Siehe dazu auch: existenzsichernde Löhne (Anmerkung der Redaktion)

Das Tchibo Geschäftsmodell „Jede Woche eine neue Welt“ in Verbindung mit Nachhaltigkeit sehe ich zwar als Widerspruch…

…da Nachhaltigkeit ja eher für Langlebigkeit als für schnelldrehende Ware steht. Aber mein Eindruck ist, dass Tchibo diesen (vermeintlichen) Widerspruch inzwischen relativ gut auflöst. Weil die Produkte nachhaltig hergestellt werden, weil Restposten, wo es geht, vermieden werden und die Ware selbst qualitativ hochwertig und damit sehr langlebig ist. Und weil ja überwiegend „Basics“ verkauft werden – vom Schlafanzug bis zur Bratpfanne. Diese Produkte sind keinem Trend unterworfen.

Die aktuelle Wochenwelt von Tchibo mit ihren vielen nachhaltigen Produkten gefällt mir sehr, vor allem To Go Lunchboxen und Kühltasche sowie die Edelstahl Snackdosen.

Meike Gebhard ist promovierte Umweltökonomin und seit 2008 Geschäftsführerin von Utopia. Mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt sie sich seit dem ersten Klimagipfel Anfang der neunziger Jahre. Sie schreibt auf Utopia über digitale Nachhaltigkeitskommunikation und die Erwartungen bewusster Konsumenten: an Politik, Unternehmen – und sich selbst.