Closed Loop Ansätze
Detox (2): Entgiftung in der Textilindustrie

Detox-Projekt: Unser Team, was wir tun, und erste Erfolge!

Im November 2014 hat Tchibo das Detox-Commitment von Greenpeace unterzeichnet. Damit haben wir uns verpflichtet, bis 2020 gefährliche Chemikalien in der Herstellung von Textilien zu verbannen. Was heißt das? Worum geht es bei Detox konkret? Was wurde bisher erreicht? Und welche Herausforderungen liegen noch vor uns? Viele spannende Fragen an die Projektverantwortlichen Daniel Koltermann und Friedemann Schreiter.

Daniel Koltermann und Friedemann Schreiter

Die Projektverantwortlichen Daniel Koltermann (links) und Friedemann Schreiter (rechts).

Was ist das Ziel des Detox-Projekts?

Daniel Koltermann: Der Großteil der Textilproduktion findet heute in Asien statt (etwa in China und Bangladesch). Bei der Herstellung von Textilien werden häufig viel Wasser sowie gefährliche Chemikalien eingesetzt (in Färbereien, Druckereien, Veredlungsbetrieben). Tchibo stellt sicher, dass gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe am Produkt ausgeschlossen werden. Jedes Produkt wird vor dem Verkauf auf die Einhaltung der Vorgaben untersucht. Worauf Greenpeace abzielt, ist aber die Umwelt vor Ort. Im Rahmen der Produktion wird Abwasser oft ungeklärt in Flüsse oder Seen geleitet. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen und systemische Veränderungen anzustoßen, hat Greenpeace 2011 das Detox-Projekt gestartet. Ziel des Projekts ist es, das alle großen textilen Marken- und Handelsunternehmen bis 2020 gefährliche Schadstoffe komplett aus ihren Lieferketten eliminieren. Das Ziel des Projekts ist ambitioniert aber auch aus Sicht von Tchibo in der Sache absolut richtig. Wir haben nur eine Umwelt und die müssen wir schützen.

Klingt nach einer großen Herausforderung?

Friedemann Schreiter: Ja, das ist es auch. Vor allem das breite Produktangebot von Tchibo stellt eine riesige Herausforderung dar. Dazu kommt, dass die relevanten Nassprozesse oft nicht in unseren Vertragsfabriken, sondern tiefer in den Lieferketten angesiedelt sind. Mit diesen Betrieben haben wir keine direkten Geschäftsbeziehungen und wir sind über unsere Lieferanten häufig nur ein Kunde unter vielen. Außerdem existieren für viele kritische (aber für den Produktionsprozess sehr relevante) Chemikalien noch keine geeigneten Alternativen. Auch ist für einige gefährliche Substanzen eine vollständige Eliminierung nicht möglich, da sie ganz natürliche Bestandteile unser Ökosysteme sind, wie etwa Schwermetalle. Was man daran sieht: für eine echte Veränderung müssen strukturelle Veränderungen in der globalen Textilindustrie angestoßen werden. Und darauf zielt das Detox-Projekt ab. Alle Akteure in der textilen Lieferkette müssen sich bewegen.

Geografische Verteilung der Nassbetriebe

Was ist seit der Unterzeichnung des Detox-Commitment konkret passiert?

Daniel Koltermann: Zunächst haben wir unser internes Projektteam zusammengestellt. Neben einem sechsköpfigen Kernteam zählen dazu weitere Kollegen aus den Fachbereichen wie Qualität, Einkauf oder Produktmanagement. Auch externe Expertinnen und Experten arbeiten an diesem ambitioniertem Projekt mit. Im zweiten Schritt haben wir begonnen, Transparenz über relevante Stufen unserer textilen Lieferketten zu schaffen. Durch den Austausch mit den Lieferanten ist das Problembewusstsein deutlich gestiegen. Es wird zunehmend nicht über das „ob“ sondern über das „wie“ diskutiert. Mit einer Gruppe strategischer Lieferanten, die über 47% der für Tchibo produzierten Textilien herstellen, haben wir Lösungsansätze erprobt und umgesetzt.

Zum Beispiel?

Daniel Koltermann: Es sind zusätzliche Stellen und Verantwortlichkeiten für das Chemikalienmanagement bei Lieferanten geschaffen worden. Wir haben Fälle, in denen in Abwasseraufbereitungsanlagen investiert wurde. Die Inventarlisten von Chemikalien werden um Detox-relevante Informationen ergänzt.

Welchen Anteil hat die globale Textilindustrie eigentlich an der Verschmutzung von Gewässern?

Friedemann Schreiter: Man schätzt, dass etwa 20 % der industriellen Verschmutzung der Oberflächengewässer, wie Flüsse und Seen, durch die globale Textilindustrie verursacht werden. Die indirekten Folgen dieser Verschmutzung sind allerdings wesentlich weitreichender. Über die Abwässer gelangen gefährliche Substanzen in Gewässer und Böden, schädigen Lebewesen und gelangen gar in die Nahrungskette. Selbst in der Antarktis können noch die sogenannten PFC-Substanzen nachgewiesen werden. Wir haben es hier also mit einem wirklich globalen Problem zu tun, dass uns alle betrifft.

Wasserkreislauf eines Nassbetriebes sowie mögliche Messpunkte für Abwasser- und Schlammtests.

Warum setzen die Regierungen in vielen Produktionsländern nicht strengere Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt durch?

Daniel Koltermann: Lokal tut sich in vielen Ländern schon einiges. Es gibt verschiedenste Bürgerbewegungen gegen die Verschmutzung der Umwelt. Auch das Bewusstsein, dass die industrielle Verschmutzung der Gewässer langfristig nicht nur die Umwelt, sondern auch die die Gesundheit der gesamten Bevölkerung schädigt, ist weit verbreitet. Hinzu kommt, dass meiner Erfahrung nach oft nicht die fehlenden Gesetze das Problem sind. Die sind nämlich zumeist auf dem Papier vorhanden. Es scheitert häufig an der Durchsetzung. Und man darf nicht vergessen: auch in Deutschland/Europa hat die Umweltbewegung über 100 Jahre gebraucht, bis sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Friedemann Schreiter: Ergänzen möchte ich noch, dass verbindliche Standards für alle Unternehmen sicherlich wünschenswert wären. Aber während der Einflussbereich der Politik nach wie vor stark nationalstaatlich begrenzt ist, spielen sich Wirtschafts- und Handelsbeziehungen heute auf globalen Märkten ab. Die politische Regulierung globaler Märkte gestaltet sich daher bis heute eher schwierig. Das ist auch der Grund dafür, dass Greenpeace sich für politische Veränderungen auf internationaler Ebene einsetzt und wir pro-aktiv die Verbesserung sozialer und ökologischer Standards in unseren Lieferketten vorantreiben.

Kann Tchibo als einzelnes Unternehmen überhaupt etwas bewirken?

Friedemann Schreiter: Im Einzelfall kann man eine Menge bewirken. Industrieweite Veränderungen anzustoßen ist da deutlich schwieriger. Wir schließen uns daher mit anderen Organisationen zusammen, um gemeinsam mehr Wirkung zu erzielen. Beispielsweise arbeiten wir derzeit mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der REWE Group daran, ein Detox-Qualifizierungsprogramm in Bangladesch und China aufzubauen. Damit haben wir eine Chance, die Textilindustrie in diesen Ländern nachhaltig zu verändern.

Das Tchibo Detox-Team: Anett Matthäi, Friedemann Schreiter, Tina Dettmer, Noel Chu, Sarah Herms, Daniel Koltermann, Stefan Dierks

Verstehen unsere Produzenten denn, warum wir von ihnen den Verzicht auf gefährliche Chemikalien in der Produktion verlangen?

Daniel Koltermann: Verständnis und Bewusstsein für das Problem ist bei den meisten unserer Produzenten absolut gegeben. Allerdings besteht noch viel Unklarheit darüber, wie die Eliminierung der gefährlichen Chemikalien praktisch funktionieren soll. Welche Chemikalien sind denn gefährlich? Wo bekomme ich Alternativen? Was kosten die? Steigen meine Produktionskosten? Führt das zu Wettbewerbsnachteilen? Um Antworten auf solche Fragen zu finden, sind transparente, vertrauensvolle und dialogorientierte Lieferantenbeziehungen essentiell.

Kann man nicht einfach eine Liste an unsere Einkaufsverträge anhängen, die definiert, welche Chemikalien nicht benutzt werden dürfen?

Daniel Koltermann: Eine solche Liste gibt es bereits, die so genannte Manufacturing Restricted Substances List (MRSL). Die Auflistung allein führt aber noch nicht zu den nötigen Veränderungen bei den Lieferanten. Die Frage ist deshalb: Was muss in einer Fabrik konkret passieren, damit diese Chemikalien nicht eingesetzt werden? Die Einführung eines aktiven Chemikalienmanagements, angefangen von der Beschaffung, über die Lagerung und Nutzung bis hin zur fachgerechten Entsorgung ist dafür die Grundlage. Darauf aufbauend braucht es einen systematischen Substitutionsprozess, in den auch die Hersteller von Komponenten und Chemikalien einbezogen sind. Und wie bei allen komplexen Problemen gilt auch hier: Es gibt nicht die eine richtige Lösung.

Was muss ich als Produzent tun, wenn ich verbotene Chemikalien im Produktionsprozess finde?

Friedemann Schreiter: Entscheidend ist zunächst, die Ursache dafür zu finden. Handelt es sich um eine Kontamination im Laufe des Produktionsprozesses? Oder wurde die Chemikalie als Zutat gezielt eingesetzt? Wenn ja, wo genau im Produktionsprozess? In welcher Rezeptur wurde die Chemikalie verwendet? Welcher Hersteller hat die Chemikalie geliefert? Hat der Hersteller ordnungsgemäße Angaben zur Rezeptur der Chemikalie gemacht? Sind alle wichtigen Informationen in meinem Chemikalieninventar vermerkt? Erst wenn geklärt ist, um welche Substanz es sich genau handelt und wie sie in meinen Produktionsprozess gelangt ist, kann ich versuchen, sie durch eine weniger gefährliche Chemikalie zu ersetzen.

Was sind die nächsten Schritte für das Detox-Projekt?

Daniel Koltermann: Wir werden weiterhin die Vorstufen in der Produktion systematisch abfragen. Außerdem werden wir unsere Lieferanten und deren Nassbetriebe unterstützen, ihr Chemikalienmanagement zu verbessern. Dazu zählt auch die Ausgestaltung des erwähnten Trainingsprogramms mit dem wir industrieweite Veränderungen anstoßen möchten. Da es ganz ohne Kontrolle nicht gehen wird, erarbeiten wir derzeit ein integriertes Monitoringprogramm zur kontinuierlichen Überprüfung der Abwasserqualität in unseren Fabriken. Und natürlich wollen wir auch unsere Kunden durch weitere Blogbeiträge über das Detox-Projekt informiert halten.