Serie ECO-LOGIC Fashion (4)

Warum es wichtig ist, nachhaltige Materialien wie Bio-Baumwolle einzusetzen (Und warum das nicht reicht)

Ein Gespräch mit Liesl Truscott, Material Director von Textile Exchange und Nanda Bergstein, Head of Vendor Relations & Sustainability Non Food von Tchibo.

Ob Baumwolle, Holz, oder Kaffee: Nachhaltige Rohstoffe zu verwenden ist für Tchibo alternativlos. Auf dem Weg zu einer 100% nachhaltigen Geschäftstätigkeit sind wir dabei auch schon ein gutes Stück des Weges vorangekommen. Trotzdem ist weiterhin viel Engagement nötig. Und „nur“ nachhaltige Rohstoffe zu verwenden, ist noch nicht genug … Im Gespräch mit Liesl Truscott und Nanda Bergstein möchte ich verstehen, warum.

Liesl, Du arbeitest bei Textile Exchange. Für alle, die Textile Exchange nicht kennen: Was macht ihr?

Liesl Truscott: Als internationale Non-Profit Organisation, arbeitet Textile Exchange daran, die Textilindustrie nachhaltiger zu machen. Dabei arbeiten wir mit allen zusammen, die an der Erstellung von Textilien beteiligt sind – und das vom Kleidungsstück über Handtücher bis hin zu Bettwäsche und vielem mehr.

Unsere Mission ist es, Menschen zu inspirieren und nachhaltige Methoden in der textilen Lieferkette zu forcieren. Dabei fokussieren wir uns darauf, die negativen Auswirkungen der globalen Textilindustrie zu minimieren und die positiven Effekte zu maximieren.

Wie definierst Du ein „nachhaltiges Produkt“?

Liesl Truscott: Früher hätte ich gesagt, ein nachhaltiges Produkt erzeugt weniger Schaden für die Umwelt oder die Menschen als ein konventionelles Produkt. Aber heute geht die Definition für mich darüber hinaus: Produkte sollen sich positiv auf die Umwelt und die Gesellschaft auswirken. Zum Beispiel geht es nicht mehr nur darum, Emissionen zu verringern sondern um „carbon sequestration“ also darum, die Bindung von Kohlenstoff zu erhöhen. Auch die sozio-ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit steht heute noch mehr im Fokus, denn nachhaltige Entwicklung wird nur möglich sein, wenn alle Menschen, die in die Produktion eingebunden sind, davon profitieren.

Nanda, wie definiert Tchibo ein nachhaltiges Produkt?

Nanda Bergstein: Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und besagt, dass dem Wald nur so viel Holz entnommen werden soll, wie nachwachsen kann. „Nachhaltigkeit“ so wie der Begriff heute verwendet wird, meint die Art des Wirtschaftens, bei der Bedürfnisse der heutigen Generationen befriedigt werden, ohne zukünftigen Generationen die Lebensgrundlage zu entziehen.

Für uns bei Tchibo geht es daher zum einen ebenfalls darum, negative Auswirkungen zu reduzieren aber längerfristig noch viel mehr darum, unsere Produkte im Einklang mit Mensch und Natur herzustellen. Denn hier hat Liesl absolut Recht: nur wenn alle Menschen und auch die Umwelt von der Herstellung profitieren, kann es wirklich eine nachhaltige Geschäftstätigkeit und langfristig eine nachhaltige Entwicklung geben.

Warum ist es wichtig, nachhaltige Materialien zu beziehen?

Liesl Truscott: Wenn man es genau nimmt, haben Textilunternehmen ihre Wurzeln auf Feldern, in Wäldern und tief im Erdboden, z.B. bei Baumwolle, Fasern mit Zellulose-Ursprung oder bei synthetischen Fasern. Daher haben sie auch eine wichtige Rolle inne auf dem Weg zu einem stabilen, regenerativen und zirkularen Wirtschaftssystem. Die Beschaffung von nachhaltigen Fasern und Materialien ist dabei ein wesentlicher Part des Wandels und ein signifikanter Schritt für Unternehmen ihre Wirksamkeit zu erhöhen.

Marken und Handelsunternehmen können damit durch die Art wie sie die Faser- und Materialproduktion bis zum Ursprung im Feld oder Wald und im gesamten Kreislauf beeinflussen einen großen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft leisten.

Nanda Bergstein: Und genau deshalb beziehen wir nachhaltige Materialien. Aus unserer Sicht gibt es hierzu keine Alternative auf unserem Weg zu 100% Nachhaltigkeit.

Wieso arbeitet man hier mit Zertifizierungen und Standards?

Liesl Truscott: Die Integrität von Produkten ist das Herzstück der Nachhaltigkeit. Die Zertifizierung nach Standards ist daher eine der wesentlichen Methoden, um sicherzustellen, dass eine Produktaussage, wie zum Beispiel dieses Produkt enthält Bio-Baumwolle, richtig und valide ist und verifiziert werden kann. Zertifizierungen bestätigen sozusagen die Einhaltung einer bestimmten Messlatte.

Nanda Bergstein: Für uns als Unternehmen ist es aktuell noch schwierig, für all unsere Produkte zu wissen, wo und unter welchen Bedingungen z.B. die Baumwolle gesät, gehegt, geerntet und weiterverarbeitet wurde? Bei der Beantwortung dieser Fragen helfen uns Zertifizierungen.

Aber: Uns ist auch bewusst, dass Zertifizierungen ihre Grenzen haben. Sie beziehen sich häufig nur auf Teile der Lieferkette, auf einzelne, fokussierte Nachhaltigkeitskriterien und deren Wirkungen. Da wir uns vorgenommen haben ein zu 100% nachhaltigen Unternehmen zu werden, wissen wir, das wir an Projekten arbeiten müssen, die über die Zertifizierung von Materialien hinaus geht, wie zum Beispiel bei unserer Partnerschaft mit dem Appachi ECO-LOGIC Projekt in Südindien.

Liesl Truscott: Man kann sagen: Zertifizierungen werden immer mehr zu Basisstandards. Über die Einhaltung von Standards hinaus sind eine kontinuierliche Verbesserung sowie das Aufzeigen tatsächlicher Verbesserungen immer wichtigere Elemente der Entwicklung. Das Ziel ist es letztendlich, transparente und vertrauensvolle Partnerschaften aufzubauen, die es Unternehmen erlauben Risiken zu managen und starke Handelsbeziehungen aufzubauen, die den Wert der Beziehung fair teilen. Die Partnerschaft von Appachi ECO-LOGIC und Tchibo ist, wie ich finde, ein exzellentes Beispiel für diese Entwicklung.

Nanda, warum ist nachhaltige Baumwolle so wichtig für Tchibo?

Nanda Bergstein: Baumwolle ist eine der wichtigsten Naturfasern der Welt. Auch für uns ist der Rohstoff sehr wichtig und macht einen großen Anteil an unserem Textilsortiment aus.

Gleichzeitig ist der Anbau von Baumwolle sehr ressourcenintensiv und besonders im Bereich des konventionellen Anbaus häufig weder umwelt- noch sozialverträglich: beispielsweise ist der Wasserverbrauch sehr hoch und Pestizide werden eingesetzt, die die Gesundheit der Baumwollfarmer und Erntehelfer schädigen können. Deswegen ist die Beschaffung von Baumwolle aus nachhaltigen Quellen für uns alternativlos und ein wichtiger Teil unseres Engagements.

Heute sind bereits ca. 80% unserer Baumwolltextilien aus oder mit nachhaltiger Baumwolle gefertigt. Bei Bio-Baumwolle sind wir die Nummer 3 unter den Abnehmern weltweit.

Liesl Truscott: Markenunternehmen sind sich heute deutlich bewusster über die Herausforderungen und Probleme im Baumwollanbau. Doch viel wichtiger: Unternehmen sind sich dabei auch ihrer Rolle, hieran etwas verändern zu können, viel bewusster. In den letzten Jahren wurden immer mehr Nachhaltigkeits-Initiativen im Baumwollsektor ins Leben gerufen, die gleichzeitig auch das Angebot für Unternehmen größer machen, sich zu involvieren. Der nächste große Schritt – ein Projekt mit dem Titel „Cotton 2040“ – ist bereits in der Entwicklung: eine Vereinbarung über eine gemeinsame Vision für nachhaltige Baumwolle. Dieser Konsens wurde bereits im Kaffeesektor aufgebaut, ebenfalls ein Kernprodukt von Tchibo, und wir wollen das gleiche im Baumwollsektor erreichen.

Liesl, aus deiner Perspektive: Welche Verantwortung trägt ein Unternehmen wie Tchibo?

Liesl Truscott: Tchibo ist, wenn es um den Einsatz von nachhaltigen Fasern und Materialien geht, definitiv in einer führenden Position. Diese Position erlaubt es Tchibo, ihre Unternehmenswerte zu leben, ihre Geschichte zu erzählen und den Weg für andere zu bahnen.

Gleichzeitig wachsen dadurch die Erwartungen von Stakeholdern, genau wie die Pflicht und Verantwortung auch weiterhin kontinuierlich besser zu werden. Wenn ein Unternehmen neue Wege einschlägt und damit hunderte Farmer mitnimmt, ist die Verantwortung unglaublich groß – aber die Chance, damit auch unglaublich viel Gutes zu bewirken, eine fantastische Belohnung.

Nanda Bergstein: Für uns ist es in der Tat ein schmaler Grat: Wir brauchen Industrielösungen und neue innovative Ansätze. Als Industrie müssen wir noch viel lernen und das geht nur, wenn man nicht für jeden Fehlschlag direkt öffentlich in Verruf gerät.

Gleichzeitig brauchen wir auch den Kunden, wenn wir mittelfristig mit nachhaltigen Materialien und Produkten erfolgreich sein wollen. Das heißt, wir müssen auch darüber sprechen, was wir tun. Und das ist gar nicht so leicht.

Liesl Truscott: Ich habe das Engagement von Tchibo über die letzten Jahre beobachtet und mich zum Teil auch selbst damit beschäftigt. Ich habe gesehen, wie das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, sich ambitionierte Ziele gesetzt und mit der Implementierung der Strategie begonnen hat. Und von dem was ich gesehen habe, ist Tchibo bei der Umsetzung stets sehr überlegt vorgegangen: mit dem Fokus auf einen Portfolioansatz für nachhaltige Baumwolle. Gleichzeitig ist der Ansatz, den Kunden auf diesem Weg mitzunehmen, und dabei offen und transparent zu sein, beeindruckend: von Produktlabeln und der Positionierung der Ware im Verkauf bis hin zu inspirierender und informativer Multi-Media Kommunikation. Und die aktuelle Kollaboration mit dem indischen Baumwollprojekt, Appachi ECO-LOGIC Cotton, und der großartigen Kollektion ist ein toller Verdienst von beiden Seiten – und wahrscheinlich ein willkommener Anblick für Kunden die nach nachhaltiger und modischer Bekleidung suchen.